Lebensmittel Zur Einführung unserer neuen saisonalen Karte lud Head Chef von ARKET, Martin Berg, den Spezialitätenkaffee-Pionier Jeremy Torz von Union Coffee Roasters zu einem Gespräch in unserem Londoner Café in Covent Garden ein, wo sich die beiden bei einem Mittagessen und einem Espresso zum Thema Kaffeegenuss austauschten.
Mitte der 90er-Jahre entdeckten die jungen Wissenschaftler Jeremy Torz und Steven Macatonia auf einer Reise nach San Francisco die Kaffeekultur der Stadt und erkannten erstmals den Unterschied zwischen gutem und schlechtem Kaffee. Nach ihrer Rückkehr beschlossen die beiden Londoner, weiter in das Thema einzutauchen und begannen, in der Garage von Stevens Eltern Kaffeebohnen zu rösten. Sie verpflichteten sich dabei zunehmend, Kaffeebohnen aus nachhaltigen Quellen und ethischer Produktion zu beziehen, was letztendlich zur Gründung von Union im Jahr 2001 führte.
„Der Weg zu einer guten Tasse Kaffee beginnt schon lange vor der Zubereitung“, sagt Jeremy Torz. „Die Voraussetzung für aromatischen Kaffee sind hochwertige Kaffeebohnen – und wir können langfristig nur dann guten Kaffee aus nachhaltig angebauten Kaffeebohnen anbieten, wenn wir ein gutes Verhältnis zu den Bauern und Produzenten aufbauen, diese beim Anbau unterstützen und es ihnen ermöglichen, mit ihrem Einkommen ihre Familien zu ernähren, was wiederum den zukünftigen Generationen zugute kommt.“
Laut Torz sei Kaffee jahre- oder sogar jahrzehntelang nur wenig geschätzt und in zu geringen Mengen produziert worden. Dies habe zu einem Qualitätseinbruch geführt – Kaffeehändler, große Röstereien und Coffeeshop-Ketten hätten in Anbetracht der wenig anspruchsvollen Kunden keinen Anreiz gehabt, hochwertigen Kaffee anzubieten.
„Wir bei Union wussten: Wenn wir die Dinge zum Besseren verändern wollen, muss Qualität an erster Stelle stehen. Wir können unsere Mission, Kaffeebauern zu unterstützen, nur dann erfüllen, wenn die Kunden unseren Kaffee wirklich genießen und sich auch für die Geschichte dahinter interessieren. Nur wenn uns das gelingt, können wir Kunden an unsere Marke binden und sie für die positiven Auswirkungen für Bauern und Produzenten begeistern.“
Viele Menschen sagen, sie könnten den Unterschied zwischen massenproduziertem und sorgfältig ausgewähltem „Spezialitätenkaffee“ nicht schmecken. Lohnen sich überhaupt all eure Mühen?
Martin: Ich glaube, es geht eher darum, mehr Wissen über das Produkt zu vermitteln. Denken wir beispielsweise an die Entwicklung der modernen Brotkultur: Vor ungefähr 20 Jahren war das nordische Roggenbrot beinahe komplett in Vergessenheit geraten, stattdessen gab es fast nur noch Brot aus dem Supermarkt. Dann kamen auf einmal mehr und mehr Artisan-Bäckereien auf, die traditionelles Brot wieder ins kollektive Bewusstsein rückten. Es war damals genauso wie heute mit dem Kaffee – die Leute sagten: „Wer will denn so viel für einen Laib Brot bezahlen?“. Nach und nach wurden sich die Kunden jedoch des Brotback-Handwerks und der daraus resultierenden höheren Qualität bewusst und akzeptierten die Preisunterschiede.
Jeremy: Das ist etwas, wovon ich fest überzeugt bin: Man kann Kunden auf eine Reise mitnehmen – aber nur dann, wenn das Erlebnis relevant und greifbar ist. Als sich beispielsweise vor 10 bis 15 Jahren die Spezialitätenkaffee-Kultur entwickelte, verlief dies zunächst etwas holprig, da die Aromen für die Durchschnittskunden einfach zu extrem waren.
Als Röster hatte es für mich schon immer Priorität, ausgewogene Aromen zu schaffen und mich nicht von kurzlebigen Trends in der Röster-Community beeinflussen zu lassen. Man muss sich nicht nur aus Prinzip von anderen abheben und zum Beispiel zu kurz geröstete Bohnen verwenden, was zu einem sehr intensiven, leicht sauren Geschmack führt – Kunden sind mit solchen Feinheiten nicht vertraut oder schätzen solche starken Aromen nicht. Wir wollen keine Vorlesungen über Kaffee halten, sondern den Kunden einfach dabei helfen, eine aromatischere Version des ihnen vertrauten Getränks zu entdecken.
Wir wollen auf keinen Fall elitär sein. Uns geht es einfach nur darum, besseren Kaffee herzustellen und damit so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Schließlich gilt: Je mehr Menschen auf der Welt guten Kaffee trinken, desto mehr Säcke Kaffeebohnen können wir kaufen und desto mehr können wir die Gemeinden unterstützen, die ihn anbauen.
Was zeichnet eine gute Tasse Kaffee aus?
„Für mich muss eine gewisse Eleganz vorhanden sein. Guter Kaffee schmeckt süßlich und rein. Das ist die Grundlage für alle weiteren Eigenschaften. Um dies zu erzielen, müssen die Früchte sorgfältig und zum richtigen Zeitpunkt geerntet werden, damit die Aromen einheitlich sind und feinere Geschmacksnoten, wie zum Beispiel eine leichte Säure, nicht überdeckt werden.
Das Kaffeearoma setzt sich aus zahlreichen Geschmacksnoten zusammen. Aktuell wird viel über fruchtige Noten wie Pfirsich, Birne oder Erdbeere gesprochen, und weltweit gibt es viele übergreifende Geschmacksnoten, die sich aus dem Röstprozess ergeben, darunter herbe Zucker- oder Kakaonoten. Ein wirklich ausgewogenes Aroma erzielt man jedoch nur mit Kaffeefrüchten, die von Natur aus süßlich und rein schmecken.
Es ist genau diese Aromenvielfalt, die Spezialitätenkaffee so besonders macht – der Geschmack entfaltet sich schon beim ersten Schluck, der Kaffee ist weder zu bitter noch zu intensiv. Mit dem letzten Schluck entfaltet sich dann das gesamte komplexe Geschmackserlebnis im Mund.“
Glaubt ihr, dass Spezialitätenkaffee Massenkaffee in größerem Umfang ersetzen wird?
„Ich denke, das ist nicht möglich, da sich nicht alle Kaffeefrüchte zur Herstellung von Spezialitätenkaffee eignen. Es gibt nicht überall die nötigen physischen, umweltbedingten oder technischen Voraussetzungen, die erforderlich sind, um dieses leicht süßliche, reine Aroma zu erzielen. Außerdem gehört Kaffee in unserer Welt ja auch zum Alltag. Manchmal sind Getränke und Speisen einfach nur eine Energiequelle ohne großen Genussmoment.“
Martin: Ein Freund von mir sagte kürzlich, dass wir Fleisch vielleicht genauso einordnen sollten wie Hummer: ein nicht alltägliches Lebensmittel für besondere Anlässe. So ähnlich ist es mit dem Kaffee: Ja, Kaffeetrinken ist eine Gewohnheit, aber viele Menschen, besonders hier in den nordischen Ländern, trinken unglaublich viel davon, da Kaffee von geringer Qualität und daher preiswert ist.
Oftmals werden zuerst bei den Zutaten Kompromisse eingegangen, was schade ist. Die Qualität der Bohnen und der Lebensunterhalt der Bauern sind in einem Café wie unserem keine Punkte, an denen wir Kosten sparen wollen.